Morbus Bechterew (Ankylosierende Spondylitis)

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,
nachfolgend möchten wir Ihnen einige Informationen zum Krankheitsbild des Morbus Bechterew und seiner Behandlung geben. Aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie im Klinikum Bad Bramstedt, werden Patienten überregional in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen sowie aus weiteren Bundesländern behandelt bzw. beraten. Dabei sind die sorgfältige Untersuchung und Befragung die zentralen Bestandteile, Patienten in unserer Sprechstunde individuell beraten zu können.

Definition

Der Name entstammt dem griechischen „ankylos – gebogen“ und „spondylos – Wirbel“, wobei sich „spondylitis“ auf die Entzündung der Wirbelkörper bezieht. Im Verlauf dieser Erkrankung kann sich eine zunehmende Deformität der Wirbelsäule mit einem Rundrücken („Kyphose“) ausbilden und die Wirbelsäule zunehmend verknöchern. Dieses führt neben einer Bewegungseinschränkung in schweren Fällen zu einer Unfähigkeit geradeaus zu sehen. Die ankylosierende Spondylitis ist eine rheumatische Erkrankung, die eine Häufigkeit (Prävalenz) von ungefähr 0,2% in der Bevölkerung aufweist. Dabei sind zu etwa 70% Männer betroffen, wobei die Erkrankung typischerweise im Alter zwischen 20 und 30 Jahren beginnt. Das Risiko an einem Morbus Bechterew zu erkranken steigt, wenn z. B. ein Elternteil auch an dieser Erkrankung leidet. Personen, die an einem M. Bechterew erkranken weisen deutlich häufiger (ca. 90%) ein spezielles Gen (HLA-B27) auf im Vergleich zur Restbevölkerung (ca. 8%).

Symptome

Anfänglich macht sich die Erkrankung mit einem tief lokalisierten Kreuzschmerz und Steifigkeit des Rückens bemerkbar. Die Schmerzen nehmen langsam über Monate zu und sind morgendlich stärker ausgeprägt als in Bewegung. Es können auch Schmerzen in anderen Gelenken, z. B. in den Hüften oder den Schultern auftreten (sog. asymmetrische Oligoarthritis in 30% der Fälle). In ca. 20% sind auch die Augen in den Entzündungsprozess involviert (Regenbogenhautentzündung - Iritis). Auch entzündliche Veränderungen von Sehnenansätzen und Bändern (Enthesiopathie) sind häufig. Bei fortgeschrittener Erkrankung tritt eine zunehmende Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule sowie der Gelenke ein.

Diagnose

Abb. 1 Morbus Bechterew der Lendenwirbelsäule


Sollte der behandelnde Arzt den Verdacht auf einen Morbus Bechterew haben, sind neben einer körperlichen Untersuchung auch die Bestimmung von Entzündungswerten im Blut und die Bestimmung von HLA-B27 angezeigt. Des Weiteren werden andere rheumatische Erkrankungen ausgeschlossen. Da die Erkrankung typischerweise in den Gelenken zwischen Kreuzbein und Darmbein (Sakroiliacalgelenke) beginnt, wird auch eine Kernspintomographie oder Computertomographie des Beckens durchgeführt werden, um eine Entzündung dieser Gelenke zu entdecken (Sakroiliitis). Im Röntgenbild der Wirbelsäule zeigen sich Knochenspangen, sog. Syndesmophyten, die die Wirbel überbrücken (siehe Abbildung 1). Meist wird diese Diagnostik durch einen Rheumatologen oder rheumatologisch erfahrenen Orthopäden durchgeführt.

Differentialdiagnose

Die Differentialdiagnosen der Spondylitis ankylosans umfasst vor allem andere sog. Spondylarthropathien, die im Rahmen einer Schuppenflechte (Psoriasisarthritis), einer Darmerkrankung (z. B. M. Crohn oder Colitis ulcerosa) nach Infektionen auftreten können (reaktive Arthritis, Reiter-Syndrom). Weiterhin können auch degenerative Veränderungen der Gelenke und Wirbelsäule eine ähnliche Symptomatik auslösen.

Ziel der Therapie

Ziel der Therapie ist vor allem die Reduktion des Entzündungsprozesses durch eine entsprechende Medikation. Die Medikamente dienen einer Schmerzreduktion (z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika) und einer Reduktion des Voranschreitens der Krankheit (z. B. Sulphasalazine oder Medikamente gegen TNF-alpha). Dieses wird mit einer intensiven Krankengymnastik kombiniert, um die Einschränkung der Beweglichkeit der Wirbelsäule und ggf. der anderen Gelenke zu verhindern. Das Ziel der operativen Therapie besteht vor allem in Korrekturen der Verkrümmung der Wirbelsäule, um dem Patienten die Fähigkeit geradeaus zu sehen zurückzugeben.

Operation

Generell ist eine operative Therapie nur bei starker Verkrümmung der Wirbelsäule angezeigt und sollte in großen Zentren durchgeführt werden. Dabei wird die Wirbelsäule „gebrochen“ und ein Teil eines Wirbels („Pedikel-Substraktions-Osteotomie“ nach Thomasen oder Leong-Zielke) oder mehrerer Wirbel (Operation nach Smith-Petersen) entfernt. Dabei hängt das Operationsverfahren von der Ausprägung der Krümmung ab. Die Wirbelsäule wird dabei durch Schrauben und Stäbe stabilisiert, so dass eine zügige Mobilisation des Patienten am ersten oder zweiten postoperativen Tag möglich wird.

Notfalloperationen

Abb. 2 Kompletter Bruch der Wirbelsäule bei Morbus Bechterew


Eine Besonderheit dieser Erkrankung ist das hohe Risiko auch bei Bagatell-Unfällen schwere Brüche der Wirbelsäule zu erleiden. Dies begründet sich einerseits in der „Brüchigkeit“ der Wirbelsäule und andererseits an den langen Hebelarmen aufgrund der Verknöcherung der Wirbelsäule (siehe Abbildung 2). Da diese Brüche fast immer instabil sind und auch später noch zu neurologischen Ausfällen (Schwäche an Armen und Beinen bis hin zur Querschnittslähmung) führen können, sollten Patienten mit M. Bechterew auch nach kleineren Unfällen zur Sicherheit einen Arzt bzw. ein Krankenhaus aufsuchen, um einen Bruch der Wirbelsäule ausschließen zu lassen. Sollte sich in der notwendigen Diagnostik (Computertomographie) ein Bruch bestätigen, ist häufig eine Operation angezeigt, um Komplikationen, wie eine Kompression von Nervenwurzeln oder Rückenmark, zu verhindern.

Prognose und Spontanverlauf

Bei intensiver Therapie mit Medikamenten und Krankengymnastik ist eine komplette Einsteifung der Wirbelsäule eher die Ausnahme als die Regel. Daher ist auch eine operative Therapie selten angezeigt. Prinzipiell ist ein Stillstand der Erkrankung jederzeit möglich. Bei deutlichen Verkrümmungen der Wirbelsäule ist eine Operation jedoch für den Patienten mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität verbunden.